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Inländer und Ausländer – die vergessene Geschichte der Integration!

stephanwaltl

Aktualisiert: 3. März

Meistens veröffentliche ich in diesem Blog technische Analysen und Ähnliches. Ab und zu möchte ich aber auch zu anderen Themen Stellung nehmen. So wie heute zum Thema Migration. Zugegeben, zu diesem Thema wurde gerade in den letzten Jahren schon viel Kluges und leider auch weniger Kluges und viel Polemisches gesagt, aber vielleicht regen meine Zeilen den einen oder anderen zum Nachdenken an, denn ich wurde in den letzten Tagen gleich mehrfach damit konfrontiert!


Die Geschichte der Migration in Österreich ist eine Geschichte immer wiederkehrender Muster. Seit Jahrhunderten kommen Menschen aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen in unser Land, werden als die Anderen" wahrgenommen, stoßen auf Ablehnung und Widerstand, integrieren sich schrittweise und werden schließlich Teil der Gesellschaft. Oft in der dritten Generation.


Dieses Phänomen ist nicht neu. Vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen Menschen aus verschiedenen Regionen der k.u.k. Monarchie nach Wien - darunter viele Tschechen, Slowaken oder Ungarn. Diese so genannten Binnenmigranten wurden damals als Menschen zweiter Klasse betrachtet, Stereotype und Ressentiments entstanden.


Die berühmten Ziegelarbeiter aus Böhmen lebten oft direkt in den Ziegelfabriken am Stadtrand, isoliert von der übrigen Bevölkerung. Viele Migranten lebten in beengten Verhältnissen und nahmen oft Untermieter oder Bettgeher auf, um finanziell über die Runden zu kommen. Heute, rund 160 Jahre später, sind Namen wie Swoboda oder Prohaska in Wien allgegenwärtig und niemand würde sie mehr als "Fremde" bezeichnen.


Auswanderer

Nach dieser Einwanderungswelle wurde die Habsburgermonarchie ab den 1880er Jahren zu einem Zentrum der Auswanderung nach Übersee. Bis zum Ersten Weltkrieg wanderten mehr als 3,5 Millionen Bewohner des Reiches in die USA und nach Kanada aus. Die Auswanderung erfolgte vor allem aus armen, agrarisch geprägten Regionen wie dem Burgenland und Kärnten. So galt New York lange Zeit als die größte Stadt des Burgenlandes. Die über 2 Millionen "Flüchtlinge" aus Österreich-Ungarn in völlig überfüllten Schiffen wurden in Amerika nicht gerade freundlich empfangen, oft war von den ungebildeten, unhygienischen österreichischen Bauern die Rede, die den Amerikanern die Arbeitsplätze wegnähmen.




In der Wirtschaftskrise der Zwischenkriegszeit folgte die nächste Auswanderungswelle. Auch nach dem Anschluss an das Deutsche Reich konnten noch einige Menschen fliehen, bevor sie wegen ihrer Religionszugehörigkeit, ihrer Homosexualität oder ihrer politischen Gesinnung ins KZ kamen. Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, wie viele junge und vor allem gebildete Menschen Österreich dadurch verloren hat!


Es gab aber nicht nur Auswanderer. Die sogenannten "Südtiroler Siedlungen" in Österreich sind noch heute namentliche Zeugen der Folgen des "Hitler-Mussolini-Abkommens" von 1939, das die deutschsprachigen Südtiroler vor die Wahl stellte, entweder im italienisch-faschistisch regierten Südtirol zu bleiben oder ins Deutsche Reich auszuwandern. Für die rund 75.000 Südtiroler, die tatsächlich auswanderten, wurden in 130 österreichischen Gemeinden eilig Unterkünfte errichtet. Diese als "Südtiroler-Siedlungen" bekannten Wohnkomplexe existieren noch heute, während nach dem Zweiten Weltkrieg nur etwa ein Drittel der Auswanderer nach Südtirol zurückkehrte. Grüße an meine Tante Gerda!


Wirtschaftlicher Aufschwung

Nach dem Zweiten Weltkrieg erholte sich Österreich langsam aber sicher von der Katastrophe. Damit dies gelingen konnte, gab es einige entscheidende Punkte:

  1. Der Marshallplan spielte eine entscheidende Rolle beim Wiederaufbau. Österreich erhielt großzügige Finanzhilfen aus den USA, um Importe zu finanzieren und Infrastruktur und Industrie wieder aufzubauen.

  2. Die Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern war ein wichtiger Erfolgsfaktor und sorgte für sozialen Frieden und Stabilität.

  3. Die heute verpönte Verstaatlichung wichtiger Industriezweige (z.B. VÖEST) schuf eine solide Basis für den wirtschaftlichen Aufschwung.

  4. Die Neutralität Österreichs positionierte das Land als positives Bindeglied zwischen West und Ost.

  5. Der Fleiß der österreichischen Bevölkerung führte zu einem regelrechten Wirtschaftsboom. Zwischen 1953 und 1962 betrug das BIP-Wachstum durchschnittlich über 6 % pro Jahr. Die Arbeitslosenquote sank auf unter 3 %, was de facto Vollbeschäftigung bedeutete.


Wirtschaftliches Wachstum bedeutete, dass man für andere Menschen in anderen Ländern interessant wurde. So gingen einige Österreicher als Gastarbeiter ins benachbarte Ausland, um dort noch besser zu verdienen als zu Hause. Diese heimischen Arbeitskräfte fehlten und so kamen in den 1960er und 1970er Jahren Gastarbeiter aus Jugoslawien und der Türkei zu uns. Auch sie wurden anfangs sehr skeptisch beäugt, mussten sich oft mit Vorurteilen auseinandersetzen und sich ihren Platz in der Gesellschaft hart erarbeiten. Ich erinnere hier gerne an den Sketch "Tschusch-Tschusch" von Lukas Resetarits (LINK).


Wie um die Jahrhundertwende die Tschechen und Slowaken, so sind heute die Rumänen, Kroaten, Serben und Türken ein ganz wichtiger Teil der österreichischen Gesellschaft. Doch nachdem sie angekommen und integriert sind, blicken viele dieser "Tschuschen" mit Argwohn auf die nächsten Migrantengruppen.


Sie kamen plötzlich aus Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, dem Kosovo, Ägypten, dem Iran, Nigeria und vielen anderen Ländern unserer Erde. Kriege in Afghanistan, Syrien, der Ukraine, wirtschaftliche Krisen wie zuletzt in Griechenland oder Spanien bringen Menschen in unser Land. Auch Deutsche kommen seit dem Fall der Mauer verstärkt nach Österreich, um hier zu arbeiten, vor allem im Tourismus, oder um dem eigenen Numerus clausus zu entfliehen, hier zu studieren und zu bleiben. Derzeit leben rund 235.000 Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft in Österreich. Sie machen rund 2,5 Prozent der österreichischen Gesamtbevölkerung aus und sind damit die mit Abstand größte Ausländergruppe in Österreich - vor den Staatsangehörigen aus Rumänien (1,2 Prozent), Serbien (1,1 Prozent) und der Türkei (1 Prozent). Ich weiß nicht, wie viele Deutsche wirklich wissen, wie groß die Ressentiments der Österreicher gegenüber den "Piefkes" waren, bevor sie Teil unserer Gesellschaft wurden?


In ein paar Jahren werden wir die Syrer, Ukrainer und Kurden, die hier ihre Friseursalons und Restaurants eröffnet haben, nicht mehr für erwähnenswert halten. Die slowakische Altenpflegerin, die rumänische 24-Stunden-Kraft, die mazedonische Putzfrau - sie alle werden Teil dieser Gesellschaft sein und jeder von ihnen sollte sich bewusst sein, dass sie nur eine Gruppe sind, die vor der nächsten kommt. Solange unser Land wirtschaftlich erfolgreich, sozial gerecht und sicher ist!


Und hier kommt die Politik ins Spiel. Ich erwarte nämlich von unseren politischen Vertretern Folgendes:

  1. Wenn die Menschen hier sind, sollen sie so schnell wie möglich unsere Sprache lernen. Sprache ist der Schlüssel zum Erfolg und kein Google Translator der Welt kann das ersetzen.

  2. Gebt den Menschen die Chance auf Arbeit. Wer sie einsperrt und zum Nichtstun verdammt, macht sie anfällig für Kriminalität. Arbeit gibt dem Leben Sinn, bringt Geld und soziale Anerkennung.

  3. Wer Menschen kein Geld gibt, schürt Neid. Das gilt auch für Arbeitslose - warum soll ich arbeiten, wenn ich auch ohne Arbeit meinen Lebensunterhalt bestreiten kann?

  4. Wenn ein Migrant nicht arbeiten will, sein eigenes Geld verdienen will und somit Steuergelder nimmt statt zu geben, dann muss er das Land wieder verlassen. Ich rede hier aber nicht von 2 Jahren und mehr, sondern von 3 Monaten und der Ort des Arbeitsplatzes wird bestimmt. Denn Arbeitsplätze gibt es nicht nur in den Hauptstädten, sondern vor allem auf dem Land. Es gibt so viele Stellen in unserer Republik - ich allein kann gerade 5 Stellen anbieten! Aber es sind 3 Monate - genau diese Zeit gebe ich jemandem, um sich bei uns "einzugewöhnen".

  5. Wenn jemand straffällig wird, dann wird natürlich die Schwere der Strafe beurteilt, aber für mich hat diese Person die Chance auf ein Bleiberecht in Österreich verwirkt. Wenn ich die Chance bekomme in einem freien, liberalen und sozialen Land zu leben, dann ist das eine einmalige Chance. Wer das nicht versteht, kann gerne wieder in die Slums von Nigeria oder in die zerbombten Städte von Syrien zurückkehren.


Die Österreicher, die damals ins Ausland "flüchteten", hatten in ihrer neuen Heimat nicht viele Chancen. Egal ob in Nord- oder Südamerika, sie mussten sich sehr schnell in die Gesellschaft integrieren, um dort überleben zu können. Genau das verlange ich auch von den Menschen, die zu uns kommen, aus welchen Gründen auch immer!


Was können wir daraus lernen?

Meine Botschaft an dieser Stelle richtet sich aber in erster Linie an die "vorletzten" Migranten, die jetzt in Österreich leben dürfen und sich aus mir unerklärlichen Gründen massiv über die nun "letzte" Migrantenwelle - also ihre "Nachfolger" - beschweren. Ich möchte Euch sagen, dass man über Euch, bevor Ihr gekommen seid, genau das Gleiche gesagt hat, wie man jetzt über die sagt, die jetzt nach Euch gekommen sind. Und denjenigen, die jetzt kommen, möchte ich sagen, dass ihr nicht den gleichen Fehler machen solltet und euch über die Nächsten, die dann kommen, beschweren solltet. Ihr seid nicht die Besseren und die Nächsten sind nicht die schlechteren Migranten - es sind nur die zeitlich Nächsten!


Ich schätze mich glücklich, in einem Land leben zu können, in das die Menschen gerne ziehen. Ich habe auf meinen Reisen rund um den Globus nämlich auch sehr viel Elend mitbekommen. Ich denke da z.B. an ein völlig verarmtes Fischerdorf in Mosambik oder an ein äthiopischen Bergdorf ohne Strom, vertrocknete Ernte und Menschen ohne jegliche medizinische Versorgung. Ich verstehe, dass Menschen die so leben müssen, zu uns wollen. So wie vor 100 Jahren viele Österreicher nach Amerika wollten oder mussten, weil sie hier keine Chance hatten.


Diese sich wiederholenden Muster zeigen, dass Migration und Integration keine einmaligen Prozesse sind, sondern kontinuierliche Entwicklungen. Jede Generation hat ihre eigene "Fremdgruppe", die sie mit Skepsis betrachtet - bis sich diese Gruppe in die Gesellschaft integriert hat und die nächste Generation von Neuankömmlingen in den Fokus der Kritik gerät.


Statt diesen Kreislauf immer wieder zu wiederholen, könnte man aus der Geschichte lernen: Diejenigen, die heute Neuankömmlingen ablehnend gegenüberstehen, sollten sich daran erinnern, dass sie selbst oder ihre Eltern einmal in dieser Situation waren.


Statt immer wieder die gleichen Vorurteile und Ressentiments zu verbreiten, sollten wir versuchen, Migration als das zu sehen, was sie ist: ein normaler Bestandteil gesellschaftlicher Entwicklung. So wie die Böhmen vor 150 Jahren, die Jugoslawen und Türken vor 50 Jahren und die Syrer, Afghanen oder Ukrainer heute. Letztlich ist es immer nur eine Frage der Zeit, bis auch sie als selbstverständlicher Teil Österreichs gesehen werden.


Und zu guter Letzt: Österreichischer Fußball ohne David Alaba, Marko Arnautovic oder eben früher Matthias Sindelar und Herbert Prohaska? Undenkbar!

Und ich ohne Satu? Undenkbar hoch 2!

 
 
 

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